Masking - sich "neurotypisch normiert" geben

Ein schwieriges Thema zwischen Alltagserleichterung und dem Aufgeben seiner autistischen Außenwahrnehmung

Es gibt kaum ein Thema im Bereich "hochfunktionierender" Autist*innen, welches - zumindest für mich - so ambivalent ist, wie Masking. Der eine lehnt es ganz ab, die andere würde es gerne besser können oder hat es fast perfektioniert. Ob Masking sinnvoll ist oder nicht, muss jeder Autist für sich selbst frei entscheiden. Dazu sollte er/sie wissen, wie es geht, was möglich ist und welchen Einfluss starkes Masking auf seine Gesundheit haben kann (Stressreaktionen des Körpers). 

Masking ist unter Autist*innen umstritten ist und ich kann viele Argumente dagegen nachvollziehen. Ich persönlich habe es über lange Zeit viel zu intensiv betrieben und mir dadurch gesundheitlich geschadet. Meine kognitive Leistungsfähigkeit hatte gelitten. Allerdings haben sich mir in dieser neuronormierten Gesellschaft auch Möglichkeiten ergeben, die ich ohne konsequentes Masking damals nicht gehabt hätte. 

Mein Masking machte einiges leichter für mich: ich wurde damit im Beruf besser akzeptiert und ich habe Menschen weniger irritiert. Noch heute maske ich bewusst stark bei Neukontakten, um sie nicht zu verunsichern bzw. um zu verhindern, dass mir Rechte vorenthalten werden. Denn meine Außenwirkung und das Label ASS können einen großen Einfluss darauf haben, wie mich Neuros bewerten und dies entscheidet teilweise über meinen Zugang zu Ressourcen.

Ich bin ohne masking so stark reduziert in meiner Mimik, Gestik, sozialen Interaktion, dass einige Menschen irritiert sind. Sie interpretieren Dinge in meinen - für mich - entspannten Ausdruck. Sie können mich nicht richtig deuten. Ich verschenke also normiertes Verhalten, dass ich selbst nicht brauche. Bei näherem Kontakt mit Menschen, die mir wichtig sind, sage ich mittlerweile, dass ich gemaskt habe und ich nun meine Mimik reduzieren und den Blickkontakt beenden werde und keinen Körperkontakt wünsche. Und auch, dass meine Routinen ein Ausdruck meiner Lebensqualität sind. 

Beim Masking ziehe ich - endlich - eine klarere Grenze. Und die liegt da, wo mich Reize massiv belasten. Früher habe ich dem "Stand gehalten" auf Kosten meiner Gesundheit und brauchte dann Zuhause stundenlange Ruhe, um das zu kompensieren. Das mache ich nicht mehr. Trotzdem maske ich noch viel. Vielleicht zu viel? Ich kann das noch nicht beurteilen. Es ist weniger als früher, aber immer noch viel. Ob sich das ändert und ich es mehr ablehne, kann ich heute noch nicht einschätzen. Ich bin in Bewegung.

An dieser Stelle möchte ich einen klugen Autisten zitieren, der mir in einem Chat Folgendes schrieb:

Kolja: "Du schreibst: "Masking sollte eine freie Entscheidung sein, die jedoch keinen Einfluss auf Rechte, Werte und Würde haben darf." Genau so sehe ich das auch. 

Deswegen sehe ich es auch nicht als unsere Aufgabe an, (noch) besser maskieren zu lernen, um dann besser in die bestehende Gesellschaft zu passen. Ich finde, dass wir uns dafür einsetzen sollten, dass wir auch ohne (stark) zu maskieren akzeptiert werden. 

In Gruppen, die nur aus Autist*innen bestehen, funktioniert das teilweise schon ganz gut. In Bezug auf NT ist das aber glaube ich noch ein sehr weiter Weg."

 

Ich werde hier in loser Reihenfolge über mein Masking schreiben, aber denken Sie dran: Etwas können heißt nicht, dass der Mensch verpflichtet ist, es einzusetzen:

Angefangen, wie ich es schaffe, Blickkontakt zu imitieren, obwohl ich Blickkontakt unangenehm finde und zum Starren neige. Wie ich mir ein Sortiment an für mich sinnlosen Smalltalk-Sequenzen erarbeitet habe, die ich mit geringer Variierung so geschickt einsetze, dass mein Gegenüber zufrieden ist. Wie ich das Einsetzen von Gestik, trainiert habe, was ich persönlich für viel schwieriger halte als Mimik. Welche Mittel ich habe, um zu berechnen, welche Empfindungen der andere möglicherweise hat.